Foto: Oliver Rück
Bandkeramische Siedlungen aus der Zeit zwischen 5.500 und 5.000 v. Chr. eignen sich wegen ihrer leicht erkennbaren, massiv gebauten Pfostenhäuser besonders gut zur Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den frühen bäuerlichen Gesellschaften Mitteleuropas. Dies ist auch der Grund, weshalb dieser Zeitabschnitt zu den bestuntersuchten Phasen der heimischen Urgeschichte gehört. Für die damaligen Menschen hatten zum Beispiel Wirtschaftswachstum und technische Innovationen einen viel geringeren Stellenwert als für uns heute. Ein besseres Verständnis ihrer Gesellschaften ist deshalb mit dazu geeignet, manche vermeintlichen Zwänge unserer heutigen wirtschaftlichen und sozialen Umwelt zu relativieren. Für die Archäologie bilden bandkeramische Siedlungen auch auf methodischem Gebiet dankbare Beispiele, um Techniken zur zeitlichen Ordnung des Fundstoffes und zur Erarbeitung von Siedlungsstrukturen zu erproben. Diese Möglichkeiten waren bereits mit der Auswertung der Ausgrabung der bandkeramischen Siedlung in Köln-Lindenthal sichtbar geworden, wo als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Weltwirtschaftskrise von 1929 eine der ersten europäischen Großgrabungen von Werner Buttler sowie Waldemar Haberey begonnen und bis 1934 durchgeführt worden war.
Nach dem Krieg entwickelte Bohumil Soudský auf der Grundlage seiner Ausgrabungen in Bylany bei Prag in den 1950er Jahren Buttlers Hypothese von den bandkeramischen Wanderbauern weiter. Ähnlich argumentierte die dänische Wissenschaftlerin Esther Boserup , die vor allem auf Grund ethnologischer Quellen etwa 10 Jahre später die Erwartung ausdrückte, daß zu Beginn des Ackerbaus die Flächen für die Felder durch Brandrodung gelichtet, aber dann nach kurzer Nutzungszeit wieder aufgegeben wurden. Erst nach einer vieljährigen Brache seien die nachgewachsenen Bäume abermals niedergebrannt worden. Dahinter steht das evolutionäre Konzept, die ersten Bauern seien noch nicht richtig seßhaft gewesen und wären sorglos mit der Ressource Land umgegangen. Später habe man nach einem entsprechenden Bevölkerungswachstum die Landwirtschaft intensivieren müssen. Soudskýs Hypothese war auch die Arbeitsgrundlage für eine französische Forschergruppe, die von Paris aus die Bandkeramik in Nordfrankreich und besonders im Aisne-Tal untersuchte.
Pieter J. R. Modderman aus Leiden stellte dagegen auf der Grundlage seiner großflächigen Untersuchungen in den bandkeramischen Siedlungen östlich von Maastricht und später in Bayern im Disput mit Soudský diese Vorstellung von einer Wirtschaft der Bandkeramik als Wanderbauern frühzeitig in Frage.
Als vor 30 Jahren das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt zur Siedlungsarchäologie des Neolithikums auf der Aldenhovener Platte unter der Leitung von Jens Lüning (damals Universität zu Köln) seine Arbeit begann, bildete diese wissenschaftliche Kontroverse zwischen Soudský und Modderman einen wesentlichen Fragestellungskomplex, mit dem sich die Untersuchungen beschäftigten. Im Rahmen dieser Arbeiten wurden in zwei Jahren sieben benachbarte bandkeramische Siedlungen vollständig ausgegraben. In den folgenden acht Jahren konnten ihre Funde und Befunde wissenschaftlich bearbeitet werden. Durch dieses Projekt wurde der Umfang der in den Braunkohlentagebauen notwendigen Arbeiten deutlich, so daß 1976 die Außenstelle Braunkohlenarchäologie der Bodendenkmalpflege mit der heutigen Struktur eingerichtet wurde. 1990 folgte die Gründung der Stiftung zur Förderung der Archäologie im Rheinischen Braunkohlenrevier. Zum 10-jährigen Bestehen der Stiftung wurde der Beschluß gefaßt, ihr Jubiläum mit einer wissenschaftlichen Tagung zur Bandkeramik zu begehen. Die bisher einzigen Tagungen, die sich ausschließlich dieser wichtigen archäologischen Kultur gewidmet haben, fanden 1981 in Nové Vozokany bei Nitra/Slowakei und 1987 in Liblice bei Prag statt.
Die großflächige Umgestaltung der Landschaft durch die Braunkohlengewinnung ist neben den ökologischen Fragen auch für die Archäologie eine gewaltige Herausforderung. Durch die Stiftung, die Möglichkeiten der Denkmalpflege mit ihrer Außenstelle Braunkohlenarchäologie und die Zusammenarbeit mit den benachbarten Universitäten entwickeln sich neue Perspektiven: Nach der Siedlungsarchäologie mit ihrem Fokus auf der einzelnen Ausgrabungsstelle erweitert sich der Blick heute auf die Geschichte der Kulturlandschaft in ihrer Gesamtheit und in ihrer oft nicht kontinuierlichen Entwicklung durch die Perioden. Die Interessen der zu den verschiedenen Zeiten handelnden Akteure werden aus der Sicht ihrer wirtschaftlichen, sozialen und geistigen Bedürfnisse archäologisch faßbar. Die Stiftung fördert seit 1998 ein Projekt zur Landschaftsarchäologie des Neolithikums, dessen Schwerpunkt wieder auf der Bandkeramik liegt. Es wird von den Universitäten Köln und Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Bodendenkmalpflege durchgeführt. Techniken und Methoden der in diesem Zusammenhang stattfindenden Ausgrabungen und Prospektionen, die jetzt auch wieder zum Teil von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mitgefördert werden, sollen im Rahmen dieser Tagung diskutiert werden. Vor allem aber auch die Entwicklung zukünftiger Fragestellungen wird ein wichtiger Themenbereich sein.